Während sich der Wahlberliner Marcel Gisler in seinen früheren Werken Tagediebe (1985) und Die Flaue Stunde (1991) hauptsächlich den Themen der grossstädtischen Entfremdung, der Kälte und der Suche nach echter Liebe widmete, stellt F. est un salaud einen eigentlichen Quantensprung in seinem Filmschaffen dar: Er verlässt das Berliner Milieu, arbeitet mit einer Romanvorlage und konzentriert sich fast akribisch auf eine Liebesgeschichte zwischen zwei Männern.
Der 16jährige Schüler Beni (Vincent Brächet) schwärmt für den zehn Jahre älteren Fögi (Frederic Andrau), Sänger und Bandleader der Rockgruppe «The Minks». Beni gelingt es, als Roadie mit der Band mitzuziehen und Fögi auf sich aufmerksam zu machen. Die beiden erleben eine kurze und heftige Liebesaffäre, in der Beins Wunsch nach Ausbruch aus dem kleinbürgerlichen Mief aufzugehen scheint. Die Bewunderung und grenzenlose Hingabe des jüngeren Beni wirft den «wilden Rebell» Fögi jedoch auf sich seihst zurück und lässt ihn tiefe Einsamkeit und Leere verspüren. In der Folge durchbricht Fögi alle romantischen Ideale einer Liebesbeziehung, geht fremd, konsumiert verstärkt Drogen und reagiert auf Bcnis Liebesbedürfnis mit unerträglicher Gleichgültigkeit. Nach einem Trip in den Libanon beginnt der mittlerweile heroinabhängige Fögi, Beni zu erniedrigen. Dessen Unterwürfigkeit provoziert Fögi nun so sehr, dass er ihn wie einen Hund behandelt. Um Unterhalt und Drogensucht zu finanzieren, geht Beni sogar auf den Strich. Der augenscheinliche körperliche Zerfall und die Todessehnsucht Fögis enden im Selbstmord: Die beiden reisen nach Südfrankreich, um sich dort gemeinsam den goldenen Schuss zu setzen. Eine vermutlich zu geringe Dosierung rettet Beni vor dem Tod.
F. est un salaud basiert aul dem Dialektroman terfögi ische souhung von Martin Frank, dessen Erscheinen 1979 grosse Aufmerksamkeit erregte. In der Filmadaption bleibt Gisler dem historischen und kulturellen Milieu der Vorlage treu, nähert sich jedoch in seinen stilistischen Mitteln der Abstraktion. Die Schauplätze verengen sich zusehends auf Fögis Wohnung, einem klaustrophobischen Universum. Die Aussenwclt, Benis Tätigkeit als Strichet werden nur noch als Schnappschüsse wahrgenommen. Gisler verdichtet dabei atmosphärisch und konzentriert sich ganz auf die Entwicklung der Liebesbeziehung. Letztlich sind es nur noch die vorherrschenden Brauntöne, die Kostüme und ein paar typische Gegenstände, die uns an das historische Umfeld der siebziger Jahre erinnern. Gisler inszeniert un-spekiakulär und erzeugt damit eine eigentümliche Spannung zur emotional aufwühlenden, «unerhörten» Geschichte.
Ohne falsches Pathos, übertriebenen Voyeurismus und spektakuläres Ausschlachten einer homosexuellen Beziehung erzählt Gisler eine ergreifende Liebesgeschichte zwischen zwei Männern. Deren Selbstverständlichkeit, die sich sogar in den schockierendsten Elementen dieser sadomasochistischen Beziehung wiederfindet, wird nicht zuletzt durch das hervorragende Casting und einer ausgezeichneten Schauspielerführung erreicht: Die beiden jungen Darsteller überzeugen - der eine in seiner Arroganz, der andere in seiner devoten Naivität. Vor allem jedoch ist Marcel Gisler die Verfilmung einer Liebesbeziehung zwischen zwei Männern gelungen, in der das Thema Homosexualität zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt werden muss.