RUEDI WIDMER

META-MECANO (RUDOLF GERBER)

SELECTION CINEMA

Jean Tinguelys Welt setzt die Maschine als lust­vollen Irrsinn gegen die Zivilisation als techno­kratische Obsession des Planens und Aufbewahrens. Nach dem Tod des Künstlers läuft die zivilisatorische Maschine ungerührt weiter; Tinguelys Maschinen rasseln mit. Wie und wo man sie rasseln lässt, ist die Frage, die sich Tinguelys Erben stellen mussten. In den Haupt­rollen: Niki de Saint Phalle (Partnerin des Künstlers, Museumsmitiantin), Seppi Imhof (langjähriger Mitarbeiter, Maschinenbetreuer), Mario Botta (Museumsarchitekt). Der Film lässt sie und andere in Dekors auftreten, die den Umzug der Werke in das entstehende Bas­ler Tinguely-Museum markieren.

Es beginnt dort, wo sich der Umzug als Trauerarbeit und Abschied von erinnerungs­schweren Orten lesen lässt; wo der konkrete Ort und die konkrete Bewegung von der sym­bolischen Ebene und Spannung nicht zu tren­nen sind: Imhof macht in der Freiburger Tinguely-Heimat «Verrerie» ein Objekt zur Reise fertig. Die Szene ist ebenso schlicht wie reich­haltig: ein Dokument.

Danach werden die Dimensionen des fil­mischen Ausdrucks heterogener und abstrak­ter. Das Dokument wird zur Dokumentation, zur notierten Chronik. Eine Baukonzeption wird erläutert. Eine Gedankenwelt wird frag­menthaft wiedergegeben, Fin Dialog mit dem Verstorbenen wird angedeutet, Gefühle schei­nen durch. «Berufene» Menschen reden in ver­schiedenen Räumen und Zeiten über Tinguely, sein Thema der Flüchtigkeit. Das Museum nimmt Formen an, der Künstler - als greifbare Objekt und Gedankenwelt - bleibt in der Di­stanz. Sobald die Räume stehen, können sich die Auftretenden wieder über das Statement hinausbewegen. So auch Tinguelys Maschinen, so Patrick Lindenmaiers Kamera. Der Film endet, wo das Museum beginnt: mit dem Eröff­nungsfest.

Jean Tinguely als manifester Esprit fehlt. Das kann man dem Museum vorwerfen, aher auch dem Film. Andererseits spiegelt Meta-Mecano das Problem, das mit einer Tinguelv-Musealisierung unweigerlich verbunden ist. In seiner fehlenden Homogenität, vor allein aber in der prekären «Präsenz.» von Jean Tinguely vermittelt der Film die Dimensionen des Verlusts, die im Umzug nach Basel mitschwingen. Dieses objektive und formale «Mitgehen» muss auf jede Möglichkeit der Verdichtung, des Dia­logs, des vertiefenden Gedankenspiels und der zugespitzten Inszenierung verzichten, wo sie sich nicht vor der Kamera ergibt.

Ruedi Widmer
geb. 1959, ist freier Journalist in den Bereichen Film und elek­tronische Medien, studierte audiovisuelle Medien und Philosophie in Paris und Zürich.
(Stand: 2018)
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