Liechtenstein zählt mehr Briefkästen als Einwohner. Sagenhafter Reichtum und absolute Diskretion kennzeichnen die konservative Hochburg, wo alles mit siebzig Jahren Verspätung geschieht, wie ein Einheimischer meint. Eine Schweiz im Quadrat? Die Liechtensteinerin Daniela Marxer, die in Paris lebt, ist in ihre Heimat zurückgekehrt und hat einen frischen Blick auf Altvertrautes geworfen. Über Bergschründe, Panzertüren und Schliessfächer lässt sie ihre Kamera gleiten. Ein Spiel mit Klischees leitet ihr anschauliches Porträt eines überblickbaren Landes ein.
Machtkämpfe sind hier - bei den wenigen Akteuren - besser zu durchleuchten als anderswo. Der zentrale Konflikt im Land zwischen einem selbstbewusster gewordenen Parlament beziehungsweise der Bevölkerung und dem machtbewussten Pursten Hans Adam II. steht im Mittelpunkt der Dokumentation. Journalistisch ausgewogen und mit einem Blick für Brüche lässt Marxer Hans Adam II., einen vom Fürsten entlassenen Verfassungsspezialisten, Treuhänder, Anwälte, einen Architekten, Politiker, Historiker und einen Journalisten (keine einzige Frau notabene) in schneller Abfolge zu Wort kommen. Allmählich verdichten sich informative Rückblenden und aktuelle Puzzleteile zu einem plastischen Ganzen. Mehr Zeit nimmt sich Marxer für einen jungen Journalisten und Kabarettisten, der nach Liechtenstein zurückgegangen ist und hier ein eher landesuntypisches Leben als «aufgeklärter Hofnarr» führt.
Von einem gängigen Fernsehporträt hebt sich Im Wunderland durch die sinnliche und sinnige Kameraarbeit und den sparsamen, aber prägnanten Musikeinsatz ab. Auch der Aufbau ist ungewöhnlich frei und oft witzig. So montiert Marxer eine humoristische Lesung aus dem liechtensteinischen Evangelium - dem Steuergesetz - mit trockenen Erläuterungen von Treuhändern und Anwälten, die jeweils nahtlos mit «Amen» oder «So spricht der Herr» quittiert werden. Erhellend und amüsant ist auch die stattliche fürstliche Ahnengalerie, die im historischen Schnellvorlauf in wenigen Sekunden über den Bildschirm jagt. Pointierte Aussagen werden mitunter durch die Kadrage vorweggenommen oder kommentiert.
Bisweilen ein wenig verwirrend ist die Tatsache, dass die Regisseurin ihre Figuren nicht persönlich benennt und sich auf Berufsangaben beschränkt. Unter anderem zeigt dies die zuweilen exotisierende Perspektive Marxers, die das Land augenzwinkernd und wohlwollend als anachronistisches Kuriosum, eben als Wunderland, vorführt. Ein Flecken Erde, der nach Granit und Geheimnis riecht. Ein Fürstenschloss, dessen Mauern am Nationalfeiertag nächtlich Gold regnen. Bei aller Ausgewogenheit zeigt die Regisseurin ihre Sympathie für die wenigen, die frischen Wind und Veränderung ins nur scheinbar verträumte Tal zu bringen suchen.