WERNER JEHLE

ERINNERUNGEN AN FILME AUS LAUTER ARCHITEKTUR — ÜBER DIE SPRACHE DER ARCHITEKTUR IN SPIELFILMEN

ESSAY

Grauzonen

In Fredy Murers Grauzone von 1979 geht es um Menschen in grauer Vorstadt-Architektur. Mit dokumentarischer Sorgfalt tastet die Kamera - während sie Menschen verfolgt -Mauern und Asphalt ab. Es ist Zürcher Peripherie, die da wie ein mächtiges Gefängnis ins Bild kommt, die Ausblicke verhindert oder nur noch durch Schlitze und Schächte zulässt. Die Architektur ist allgegenwärtig. Sie verändert ihre Benutzer. Sie entmündigt ihre Benutzer. Murer vermag ihre Gewalt, ihre alltägliche Gewalt, wieder spürbar zu machen, indem er ihr den Horizont nimmt, den Ansichtskarten-Rand, der auch noch Schwamendingen zum Ferienland verzauberte.1

Architektur gibt Aufschluss über die Qualität des Lebens derer, die sie sich schaffen oder über die Absichten derer, die sie für andere schaffen. Und so spielt sie in der Literatur, in der Malerei, und - vor allem - im Film ihre hervorragende Rolle. Da werden Menschen «mittels» Architektur näher beschrieben. Manchmal wird die Sprache der Architektur so gewaltig und stark, dass sie den Ton angibt im Gewirr der Sprachmittel, die dem Filmgestalter zur Verfügung stehen.

Babylon

Die kolossalen orientalischen Kulissen in Giovanni Pastrones Cabiria von 1913 oder in David Wark Griffith’ Intolerance von 1916 sind mehr als dekorativ. Sie regeln das Verhältnis der Proportionen zwischen Menschen im Film und ihrer Architektur einerseits und den Menschen vor der Leinwand und der Grösse des vorgeführten historischen Geschehens andererseits. Der Wahn von märchenhaft reichen und gewaltsüchtigen Herrschern überragt in Form von zyklopischen Mauern und Denkmälern die Massen: die beschworenen, die der Statisten und die in den Kinos.

Pest und Gotik

Am deutschen Stummfilm der zwanziger Jahre lässt sich schon ablesen, dass es jetzt eine Theorie des Films gibt, dass reflektiert wird über den Einsatz von Requisiten und Bauten im Film.

Die Architektur vermag die geistigen Voraussetzungen für die Vorgänge herzustellen, die sich in ihr abspielen. Ihr Stil ist entscheidend für die geistige Haltung des Films.2

Dies schreibt Rudolf Kurtz 1926 in seiner Betrachtung «Expressionismus und Film». Im Caligari-Film (Das Kabinett des Dr. Caligari, 1919/20 von Robert Wiene), der auf die Anregung der Architekten Warm, Röhricht und Reimann zurückgeht, sieht der Kritiker Kurtz «wie zwanglos die starren expressionistischen Formen dem psychologischen Bedürfnis des Films angepasst sind... Das dekorative Element, im reinen Kunstwerk ausgeschaltet, übernimmt die vermittelnde Funktion zum Parkett.»3 Und Kurtz, der selbst Filmdramaturg war und in den zwanziger Jahren als Chefredakteur die «Lichtbühne» leitete, Organ des damaligen Avantgarde-Films, schildert am Fall des Caligari:

Alle vertrauten Formen des Expressionismus treten auf. Die Senkrechten spannen sich diagonal, Häuser begrenzen sich schiefwinklig, Flächen verschieben sich rhomboid, die einfachen Bewegungstendenzen der normalen Architektur, durch Senkrechte und Horizontale ausgedrückt, sind in ein Chaos gebrochener Formen verwandelt, die Bewegung hat sich selbständig gemacht: Entfesselung bedeuten diese schiefen Dächer, diese geneigten Flächen, diese schiefwinklig in die Luft starrenden Mauern. Eine Bewegung läuft an, verlässt ihre natürliche Bahn, wird von einer anderen aufgefangen, weitergeleitet, wieder gekrümmt und zerbrochen. Dazwischen spielt, aufbauend, trennend, betonend, zerstörend der Zauber des Lichts, die Entfesselung von Helle und Schwärze.4

Architektur, die sich der Psyche derer, die sie belebten, anpasste, sich als Kunstmittel und nicht einfach als Zauberei verstand, beherrschte den deutschen Stummfilm während eines Jahrzehnts. Auch wo sie zum Teil realen Schauplätzen entstammte, wie in Murnaus Nosferatu von 1921, hatte sie ehr als blosse Kulisse zu sein. Nosferatu, der Vampir, tritt gotischem Gemäuer auf. Seine die Pest symbolisierende Gestalt gleicht den Wasserspeiern von Kathedralen, seine Fratze den teuflischen Fledermausgesichtern, die dem Antonius auf Grünewalds Isenheimer-Altar erscheinen. Das Mittelalter, das hier evoziert wird und einbricht ins zivilisierte Europa der Jahrhundertwende, ist vor allem in architektonischen Zeichen fassbar. Im spitzbogigen Türrahmen wirkt die Silhouette Nosferatus fürchterlich gesteigert. Hinter den steilen gotischen Treppengiebeln Lübecker Handelshäuser vermutet man Verderben, ehe es sich offenbart. Die an Zinnen und Gewänden gespenstisch entlanggeführte Lichtregie im Film blendet aus der Epoche des Gaslichts zurück in die Zeit des Fackelscheins. Da ist Film-Architektur weit übers Dekorative hinaus insgeheim Mitspieler geworden.

Metropolis

Fritz Lang, dessen Stil seine Wurzeln hat beim deutschen expressionistischen Film, hat schliesslich 1927 seinen Metropolis, die Vision einer totalitären Zukunftsstadt, nach dem Drehbuch von Thea von Harbou, als «Architekturfilm» geplant. Der Architektur ist in diesem Film alles unterworfen, ihrer Ordnung fügen sich die Statistenheere und die Helden ein. Für Lang sei in diesem Film «nur die plastische Form» wichtig, meint der Film-Historiker Jerzy Toeplitz:

Die Komposition des Bildes ist alles. Der Mensch spielt in diesem Film eine untergeordnete Rolle, er ist nur ein Element der «menschlichen Architektur». Die Personengruppen ordnet Lang in geometrischen Formen an und bevorzugt dabei die Pyramidenform. Sogar dann, als in der Unterstadt eine Überschwemmung ausbricht und die Menschen zum Ausgang laufen, um sich zu retten, vergisst Lang nicht, die einzelnen Gruppen in ein harmonisches Muster zu bringen. Als die Masse die Hände hebt, tut sie das immer in einem bestimmten Rhythmus.5

Lang gelingt es in Metropolis, jenen Alpdruck erfahrbar zu machen, den Architektur auf den Menschen auszuüben vermag. Das hat wieder etwas mit den Proportionen seiner Dekoration zu tun, die jetzt auch durch die Tricktechniken seiner Kameraleute utopische Formate hat. Schliesslich vermag Fritz Lang Menschen auch im immensen Stadt-Labyrinth als Eingeschlossene zu schildern. Das Eingesperrtsein wird nicht nur mit Mauer- und Gitterbildern vermittelt, sondern auch durch die Art und Weise der Choreographie, die Aufnahmen von in Reih und Glied gepressten Massen, durch die Art der Cadrage ohne Horizont.

Von St. Petersburg bis Leningrad

Fast gleichzeitig mit den deutschen Expressionisten gaben die Russen, unter ihnen Sergej Eisenstein und Wsewolod Pudowkin, der Architektur im Film «tragende Rollen». Pudowkins Ende von Sankt Petersburg (1927) und Eisensteins Oktober (1927) waren als Jubiläumsfilme zu Ehren des zehnten Jahrestages der Revolution hergestellt worden und galten Petersburg, das Leningrad wurde. Pudowkin zeigt Petersburg einmal in seinem ganzen feudalen und kapitalistischen Glanz drohend über einem Bauernburschen, der in eine seiner Fabriken arbeiten kommt und während des Krieges zum Revolutionär wird. Die Fassaden und Denkmäler der Stadt sind das Repoussoir und zugleich die Plattform, von der aus einen Pudowkin auf Plätze und Boulevards blicken lässt. Die Kamera geht mit der Architektur, stellt sich nicht - wie bisher üblich im Spielfilm - zur Architektur. Diese Mobilität des Objektivs hat damals in Russland vor allem Dziga Wertow eingeführt und in Manifesten gefordert:

Ich lasse den Zuschauer so sehen, wie es mir für dieses oder jenes visuelle Phänomen am geeignetsten scheint. Das Auge unterwirft sich dem Willen der Kamera und wird von ihr auf jene folgerichtigen Handlungsmomente eingestellt, die auf knappstem und deutlichstem Wege die Filmphrase zur Höhe oder Tiefe ihrer Lösung führen.6

Genau solchen Forderungen Wertows entspricht Pudowkin, wenn er, um die Macht der Petersburger Architektur zu zeigen und die Ohnmacht derer, denen diese Architektur imponieren soll, mit der Kamera in die Höhe der Traufgesimse geht und imposante Architekturteile den weiten Strassenraum säumen lässt: eine Art innere Montage, jene Einstellungen aus Orson Welles’ Citizen Kane von 1939/40 vorwegnehmend, die Nahaufnahmen und Totalen gleichzeitig enthalten.

Eisenstein hat in seinem «Petersburger Film» Oktober 1927 ebenfalls systematisch mit der repräsentativen Architektur der Residenzstadt gearbeitet. Auch er wusste mit der lauten Sprache der barocken Stadt und den zyklopischen Dimensionen einzelner Bauten etwas wiederzugeben von der Anmassung der alten Mächte und mit dem Sturm auf diese prachtvollen Bastionen der Kraft der Revolution zu huldigen. Einmal gelingt es ihm, die Treppenanlage des Winterpalastes spielen zu lassen bei der Demontage des Diktators Kerensky. Eisenstein selbst berichtet über die Darstellung von «Kerenskys Aufstieg zur Vollmacht und Diktatur» nach den Tulitagen 1917:

Komischer Effekt dadurch erzielt, dass dem Sinne nach immer höher ansteigende Titel («Diktator», «Ober-Generalissimus», «Marine-Militär-Minister» usw.) mit 5-6 Stücken der Treppe des Winterpalais zusammengeschnitten sind, auf der Kerensky jedes Mal denselben Weg geht. -Hier erzeugt der Konflikt zwischen dem Kitsch der ansteigenden Titel und dem Auf-einer-Stelle-Traben eine intellektuelle Resultante: die satirische Herabsetzung dieser Titel in bezug auf Kerenskys Nichtigkeit.7

Der Palast als Bühnenhaus

Treppen sind an und für sich Elemente der Architektur, die jeder Sorte von Darstellung entgegenkommen. Auf Treppen lassen sich Menschen leicht exponieren. (Man erinnere sich an die Treppensequenzen in Eisensteins Panzerkreuzer von 1925.) Treppen werden als Bühnen verstanden. Es existieren aus barocker Zeit Treppen, auf denen der Leidensweg Christi theatralisch nachvollzogen wird vom ganzen Volk. Im Mexiko-Fragment Eisensteins (1930-32) ist eine solche Prozession enthalten. Es gibt jene Treppenhäuser, die mehr als die Hälfte eines Palastgrundrisses und Volumens ausmachen. Es sind wahre Bühnenhäuser wie der Turiner Palazzo Madama von Filippo Juvarra. Jean Renoir nützt die Ambivalenz zwischen barockem Treppenhaus und Bühnenhaus in seiner Carosse d’Or von 1952. «Dieser Film spielt zu Anfang des 18. Jahrhunderts in der Residenz eines spanischen Vizekönigs in einem südamerikanischen Land», so beginnt der Vorspann. «In diesem Territorium war der Einfluss der Kirche der stärkste und allein richtunggebende. Eines Tages landete dort eine Truppe italienischer Komödianten, voller Hoffnung, in dieser märchenhaften Neuen Welt ihr Glück zu machen.» Unter diesen Komödianten befindet sich Camilla, die Colombine-Darstellerin, und um sie dreht sich bald die Welt. Eines der Truppenmitglieder, ein Stierkämpfer, und der Vizekönig verlieben sich in sie. Dieser schenkt ihr sogar seine goldene Karosse, obwohl er weiss, dass ihn seine Kabinettsmitglieder dafür absetzen werden. Ihnen fehlt nur noch die Einwilligung des Bischofs, und die werden sie bekommen, denn wie kann es der Würdenträger dulden, dass sich der Vizekönig mit einer Schauspielerin einlässt. Doch Camilla weiss einen Ausweg. Sie verlässt das Schloss, in das sie der König via Hintertreppe empfangen hat, über die Staatstreppe, lässt die goldene Karosse vorfahren und schenkt sie dem Bischof. Zum Publikum gewandt, das sowohl aus Höflingen als auch aus den Zuschauern im Kino-Parkett besteht, sagt sie:

Ende des 2. Aktes. Wenn Colombine geht - von ihrer Herrschaft aus dem Hause gejagt - ist es Tradition, dass jedermann sie grüsst. Die Komödianten verbeugen sich vor ihr...

Wer die Komödianten sind, ist klar: die Minister oben an der Treppe. Der Vizekönig hat es übrigens auch schon ausgesprochen vor Camilla:

Zwischen dieser und Eurer Welt ist kaum ein Unterschied... ein paar fein geschliffene Redensarten...

Realität und Bühnenrealität geraten durcheinander, Wirklichkeit und Spiel sind nicht mehr zu trennen. Die barocke Idee vom Welttheater wird im barocken Kostüm, aber in einem Medium des 20. Jahrhunderts, in dem des Films, vorgetragen. Als Camilla am Arm des beschenkten Bischofs an den Hof zurückkehrt, wieder über die Staatstreppe, fällt eine Hofschranze in Ohnmacht, doch kurz danach strömt das Volk, das bisher draussen war, vom Salon her ins Treppenhaus. Die Kamera fährt zurück und enthüllt die Architektur als Bühnengehäuse, dann fällt ein erster Vorhang mit aufgemalter Palastarchitektur. Vor diesem erscheint der Spielleiter der Comedia dell’Arte, und erst jetzt fällt der grosse Theatervorhang, der gleiche, über den zu Beginn des Films die Titel eingeblendet werden.

Hier ist - wie schon in La Régle du Jeu von 1939 - die Architektur das Element, das den Film formal und inhaltlich gliedern hilft. So wie in La Régle du Jeu Herrschaften von ihrem Personal durch Geschosse getrennt sind und sich doch über Hintertreppen und Tapetentüren durcheinandermischen, so wechseln die Komödianten der Carosse d’Or die Herrscher ab auf dem doppeldeutigen architektonischen System «Treppe».

Und dann bleibt da noch etwas bemerkenswert. Renoir nimmt architektonische Einzelheiten als Masken im filmischen Sinn, lässt Enfiladen von Räumen, Mauereinschnitte, Jalousien als Blenden die Einstellungen bestimmen und Schnitte bilden zwischen den Einstellungen. Camilla wohnt dank ihrer Beziehungen in einem prächtigen Haus und wird am gleichen Abend von ihren drei Verehrern besucht, wobei keiner etwas vom anderen weiss. Das Aneinandervorbeigehen und - schliesslich - der Zusammenprall aller geschieht in den hintereinander gelegenen Antichambres, die vom Foyer zum Salon führen, und wird erklärlich erst durch die in tiefenscharfen Einstellungen sich abwechselnden Durchblicke, welche es dem Publikum gestatten, gleichzeitig auf verschiedenen Plänen dabei zu sein.

Da ist Architektur nicht einfach Begleitmusik. Architektur wird als Rahmen, «Cadrage», den sich der Mensch gibt, ernstgenommen. Architektur wird sogar als technisches Hilfsmittel verstanden, wenn zum Beispiel ihre Elemente -Mauern, Öffnungen - mit der Bildfläche formal in Beziehung gebracht werden.

Das Haus des Samurai

Ich kenne noch einen Film, Masaki Kobayashis Joi-Uchi (Rebellion) von 1967, der Architektur strukturell beteiligt am Plot. Erzählt wird die Geschichte eines Samurai-Kriegers, dessen Sohn die verstossene Mätresse des Fürsten heiraten muss. Der Sohn beugt sich dem Diktat, lernt sogar, die ihm «zugeordnete» Frau zu lieben. Sie bringt ihm ein Kind zur Welt, und jetzt, nach zwei Jahren, will der Fürst die Frau zurückhaben. Erst da lehnen sich die Vasallen auf, verbarrikadieren sich in ihrem Haus, verteidigen sich, statt - wie in solchen Fällen der Brauch - Harakiri zu machen.

Die Auflehnung der Krieger, Vater und Sohn, gegen ihren Herrn entspringt der Liebe. Ihre Bereitschaft zu absolutem Gehorsam ist missbraucht worden. Sie ist zu Beginn unerschütterlich. Diese Unerschütterlichkeit im Gehorsam erscheint symbolisiert in Architekturbildern von unglaublicher formaler Schönheit. Das Haus der Samurais wird in einer einleitenden Sequenz geschildert. Es wäre dieser Vorspann nach Christian Metz ein «deskriptives Syntagma»: und was für eins. Die Kamera zeigt die Fachwerkkonstruktion im Lot, als bildfüllendes Gitter, einmal nah, einmal total von oben. Die Ziegel und die Holzstützen bilden Muster, die sich dem Bildfeld einzupassen scheinen. Später werden die traditionell leeren Räume des japanischen Hauses als festes Koordinatensystem erfahrbar: aufgebaut auf schmucklosen Rechtecken der Holzriegel, Dachbalken, Füllungen, Matten. Im Architekturbild deutet sich die Disziplin, die spartanische Lebensart der Samurais an.

In ihrem Haus warten Vater und Sohn, nachdem ihr Fürst ihre Ideale verraten hat. Zu Dutzenden stürmen ausgesandte Schergen das Haus, eine Schlächterei, wie ein Ballett inszeniert, spielt sich ab auf den Bastmatten, die der Vater vorsorglich gelegt hat, damit er und sein Sohn im Blute der Gegner nicht ausrutschen. Die Hausbewohner kommen um. Der alte Samurai flieht als Überlebender mit dem Kind des Sohnes, tötet einen Grenzposten im Schwertkampf, bricht dann jedoch unter den Kugeln von Heckenschützen zusammen, ausgesetzt nun, ohne den Schutz seines Hauses.

Wiederum durchdringt die Symbolkraft, die ausgeht von Architektur, die Struktur der ganzen filmischen Erzählung. Das Haus steht nicht einfach wie ein Attribut neben seinen Bewohnern, wie der Turm bei der heiligen Barbara, sondern es ist der Ort, von dem aus gehandelt wird, der Ort, mit dem man sich identifiziert, der Ort, der Kraft gibt. - Zum «Bau» der Einstellungen und Sequenzen tritt eine geradezu akademische dramatische Form mit aufsteigender und fallender Handlung.

Häuser und Käfige

Das Haus, welches synonym zu sehen ist zum Begriff «Familie», wird dargestellt bei Kobayashi. - Angefangen habe ich meine Betrachtungen mit negativ gesehener Architektur, mit den Vorstadtmauern aus Murers Grauzone, mit Bildern von Architektur, die sich nicht aus den Bedürfnissen und Lebensgewohnheiten ihrer Bewohner entwickelt hat, sondern als vorgegebener Käfig erscheint, der mit viel Möbelkram und exotischen Requisiten, Porzellan-Geparden und Kakteen angefüllt wird: Zeichen unausgesprochener Wünsche. Was Murer ebenso gelungen ist wie dem Japaner, könnte man bezeichnen als ein Verflechten von filmischer Handlung und Architektur im Film, als Ausdruck von Innenleben durch die Schilderung von Leben in Architektur.

Werner Jehle, Hinaus... und zurück, um besser zu sehen, ein Gespräch mit Fredy M. Murer, Cinema 1/1979, S. 43 ff.

Rudolf Kurtz, Expressionismus und Film, Berlin 1926. Benützte Ausgabe, Zürich 1965. S. 122.

Kurtz, Expressionismus, a.a.O. S. 122f.

Kurtz, Expressionismus, a.a.O. S. 123.

Jerzy Toeplitz, Geschichte des Films, Bd 1 1895-1928, Berlin 1972. S. 426f.

Dziga Vertov, Schriften zum Film, München 1973. S. 17.

Sergej Eisenstein: Dialektische Theorie des Films, geschrieben 1929 in Dieter Prokop, Materialien zur Theorie des Films, München 1971.

Fotos: Die Bilder aus Renoirs Carosse d’Or und Kobayashis Rebellion sind von René Puffer vom Video-Monitor aufgenommen worden.

Werner Jehle
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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