DORIS SENN

LA DANSE DU SINGE EL DU POISSON (PIERRE-ALAIN MEIER)

SELECTION CINEMA

Das filmische Dokumentieren von Dreharbeiten hat Tradition und bietet in der Regel spannende Zusatzinformationen zu Machart, Regisseurin und Darstellerinnen eines Films. Dem Blick hinter die Kulissen von Das Reisfeld des kambodschanischen Regisseurs Rithy Panh kommt aber noch eine andere Funktion zu, und zwar diejenige einer (für uns notwendigen und aufschlußreichen) Annäherung an eine fremde Kultur und Geschichte.

Pierre-Alain Meier, Filmemacher und Koproduzent von Panhs Spielfilmerstling, hat sein Augenmerk auf die sieben Mädchen gerichtet, die im Film Schwestern spielen. Sein sensibles Porträt beobachtet sie während der Pausen, zeigt, wie sie sich mit Computer- und traditionellen Geschicklichkeitsspielen die Zeit vertreiben und gewissenhaft ihren regelmäßigen Übungen für die Ecole des Beaux Arts nachgehen - sie alle sind Tanzschülerinnen. Der Kamera (Matthias Kälin) gelingt es, die Grazilität ihres Tanzes, die Schönheit ihrer Gesichter, ihre Unbefangenheit, Ausgelassenheit, aber auch ihre Scheu, ihren fürsorglichen Umgang untereinander in unverfälschter Weise einzufangen. Ideal mögen da einerseits die Vertrautheit mit der Kamera und andererseits die Ungezwungenheit am Band des eigentlichen Filmsets zusammengespielt haben.

Erstaunlich selbstbewußt und unverblümt geben vor allem die jüngeren Mädchen Auskunft, was die Dreharbeiten von Das Reisfeld anbetrifft (den Regisseur mögen zwei von ihnen nicht - „wir sind nicht aus demselben Stoff gemacht“ -, weil er immer mit ihnen schimpft, wenn etwas nicht klappt). Überhaupt strahlen die Mädchen ein beneidenswertes Lebensgefühl aus. Der traditionelle Tanz gibt ihnen Identität und Lebensziel.

Meier gelingt es, durch kurze exemplarische Einblicke ein Schlaglicht auf die Geschichte Kambodschas, den Einbruch in seine Tradition und (stellvertretend für andere) die Biographie des Regisseurs durch das Pol-Pot- Regime zu werfen. Er umreißt das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, in dem sich Kambodscha befindet: Aus dem Bus, der die Mädchen allmorgendlich in Phnom Penh für die Fahrt zum Set abholt, dröhnt bei jedem kurzen Türöffnen moderne Discomusik. Und im Fast-food-Restaurant folgen Kinder andächtig dem Karatefilm auf dem Monitor, um mit nicht geringerer Konzentration sich Mimik, Gestik und Körperhaltung des traditionellen Tanzes anzueignen.

In einer Zeit, in der es vielen Entwicklungsländern nicht möglich ist, eine eigene Filmindustrie zu finanzieren, nehmen Koproduktionen zwischen sogenannter Dritter und Erster Welt zu. La Danse du singe et du poisson (er lief im Vorprogramm zu Das Reisfeld) ist eine nachahmenswerte Möglichkeit, uns ihr Filmschaffen, ihre Kultur kommentiert und dokumentiert (nebst dem eigentlichen Spielfilm) näherzubringen.

Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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