DORIS SENN

THE DEMINERS (MICHAEL URS REBER)

In ruckligen Bildern fängt die subjektive Kamera eine weisse Dünenlandschaft nebst Wasserlachen ein. Ein Mann setzt sich im Gehen hörbar atmend ein Visier auf und hantiert mit einem Taschenmesser an einem Döschen im Sand, um es vorsichtig zu einem Sammelplatz mit dem Schild «Danger – Mines» zu bringen. Dann, aus sicherer Ferne, werden die Fundstücke gesprengt.
 
Im Gefolge eines Kurzfilms über die Malwinen, More Than Penguins (DE, 2018), realisierte der Luzerner Michael Urs Reber sein Langfilmdebüt The Deminers . Darin taucht er uns in den Alltag von Minenräumern ein. Genauer gesagt: den Alltag von simbabwischen Minenräumern auf den Falklandinseln. Der Krieg vor rund 40 Jahren ist längst vergessen. Doch während der 42 Tage seiner Dauer hinterliess Argentinien nicht weniger als 25 000 Minen und kreierte so Todeszonen weit über das Ende des Konflikts hinaus. Auf den subpolaren Inseln leben bis heute wenige Menschen nebst vielen Schafen und einigen Pinguinen. England, das die Oberhoheit über die Malwinen innehat, übernahm die Verantwortung für die Säuberung des Bodens. Und heuerte dafür vor allem Arbeiter aus Simbabwe an – einer ehemaligen britischen Kolonie. Seit elf Jahren erledigen diese dort den lebensgefährlichen Job für einen Lohn zwischen 500 und 2000 Dollar. Im Monat. Den Arbeitern verhilft dies zu einem Auskommen und zu bescheidenem Wohlstand. Wenn alles gutgeht.
 
Shame und Cosimas sind seit Jahren als Minenräumer tätig. Sie sprechen darüber, wie es ist, auf zwei verschiedenen Seiten der Erdkugel zu leben und zu arbeiten – aus wirtschaftlicher Not und in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die Kinder. Beide nehmen dafür wiederholt die monatelange Trennung von der Familie auf sich. Und das Risiko, dass eine kleine Unaufmerksamkeit fatale Folgen haben kann. Allein schon das Lokalisieren der Minen erweist sich als äusserst schwierig: Die Dünen wandern, der Boden verändert sich unter dem Starkregen. Zudem sind die Personenminen nur handgross und explodieren schon bei acht Kilo Gewicht.
 
In ruhigen Bildern und ohne Effekthascherei begleitet der Regisseur die Minenräumer durch die eisige Landschaft – und stellt den Aufnahmen solche aus ihrer tropischen Heimat gegenüber: die Savannenlandschaft mit Zebras und Elefantenherden, die mit Stolz präsentierten Häuser, die grossen Familien. Kleine Erfolgsgeschichten – doch zu welchem Preis? The Deminers gibt einen unprätentiösen, aber umso eindringlicheren Einblick in die menschliche Seite dieses bizarren Spagats der Geopolitik. Und schliesst mit einem Statement von Shame gegen Minen und den Krieg, das aus seinem Mund um vieles glaubhafter und eindrücklicher wirkt als so manche Deklaration illusterer Persönlichkeiten vor noch so illusteren Gremien.
Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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