SARAH STUTTE

MAD HEIDI (JOHANNES HARTMANN, SANDRO KLOPFSTEIN)

In einer dystopischen Schweiz hat der grössenwahnsinnige Tyrann Meili die Bevölkerung mit seinem faschistischen Käse-Imperium in der Hand. Im Alpenland merzt er deshalb gnadenlos die Laktoseintoleranten aus, die seinen Umsatz gefährden. Doch das ist ihm nicht genug: Mit einem neuen Superkäse, der hirn- und willenlos macht, will er eine Käse-Zombie-Armee erschaffen, die ihm die Weltherrschaft garantiert.
 
Diese Rechnung hat er aber ohne den Alpöhi und vor allem seine Enkelin Heidi gemacht. Mit deren beschaulichem Leben auf ihrer Alp in Davos ist es schlagartig vorbei, als sie – nichtsahnend von dem Käsedealer-Nebenerwerb des Geissenpeters – Meilis Schergen in die Quere kommen. Heidi wird wegen Landesverrats gefangen genommen und vom wahnsinnigen Dr. Schwitzgebel sowie der bösartigen Fräulein Rottweiler gefoltert. Daraufhin mutiert sie von der netten Vorzeige-Berglerin zur Alpen-Amazone und schwört blutige Rache.
 
Mad Heidi ist der erste Exploitation-Film der Schweiz, jedoch nicht nur deshalb revolutionär. Den Grossteil des Budgets steuerte kein namhaftes Studio bei, es wurde vielmehr von Horrorfans aus aller Welt mittels Crowdfunding-Kampagne finanziert. Das Neue daran: Sie fungierten dabei als sogenannte Investoren – macht der Film also Gewinn, verdienen sie ebenfalls. Die Bindung des Genre-Zielpublikums an das Projekt, bietet die Sicherheit, dass sich deren Begeisterung später auch in den Kinoeintritten widerspiegelt.
 
Diese Idee ging aber auch auf, weil die Spezialeffekte und viszeralen Splatter-Momente in Mad Heidi gut aussehen. Zudem profitiert der Film von seiner absurden Kreativität, die Johanna Spyris traditionell-kitschige Heidi-Saga schamlos einmal ganz durch den Fleischwolf dreht und weitere Schweizer Klischees munter zweckentfremdet. Auch die vielen Anspielungen auf Genre-Klassiker wissen zu unterhalten.
 
Was man dem Film der beiden Regisseure Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein überdies zugute halten muss, ist seine Vielzahl an diversen Charakteren, die hier wie selbstverständlich in der Geschichte ihren Platz finden. Vom dunkelhäutigen Geissen-Peter muss gar eine rudimentäre Skizze angefertigt werden, um ihn in einem Dorf mit überwiegend weissen Bewohnern zu erkennen. Und obwohl der Sexismus zu einem Exploitation-Film quasi dazugehört, hat Mad Heidi dennoch genügend Frauenpower-Charme – sogar mit geistlicher Unterstützung der Lichtgestalt Helvetia.
 
Das einzige, was Mad Heidi angekreidet werden kann, ist, dass er fast zu gut aussieht für eine Grindhouse-Hommage Marke Quentin Tarantino oder Robert Rodriguez. Der Anfang und der Schluss lassen die visuelle Nähe durchschimmern, doch letztlich fehlt das Grobkörnige, das diese Filme ausgemacht hat. Der erste Swissploitation-Film mit seinem zukunftsweisenden Budgetmodell hätte ruhig noch eine Spur mehr Dreck vertragen können.
Sarah Stutte
*1977, studierte Journalistik, Literarisches Schreiben und Drehbuch in Zürich. Schreibt für zahlreiche Print- und Onlinemagazine im In- und Ausland sowie Booklet-Texte für deutsche Labels. Seit 2015 Mitglied des SVFJ. Jury NIFFF 2015, ZFF 2017, Black Movie Genf und
Locarno 2022. Festes Mitglied im Team des Kino Nische Winterthur.
(Stand: 2022)
[© cinemabuch – seit über 60 Jahren mit Beiträgen zum Schweizer Film  ]