Prolog
wild 1, adj.
«Nicht domestiziert …», das klingt faszinierend für mich.
Können wir heute noch einen solchen Ort finden? Auf diesem Planeten? Es scheint, dass unser Einfluss als menschliche Wesen weit über die physischen Orte, die wir berühren, hinaus gemessen wird. Sogar das Verhalten von Tieren, Pflanzen, Flüssen, Meeren ... verändert sich infolge der menschlichen Interaktion. Man könnte wahrscheinlich von einer totalen Domestizierung sprechen, und dies nicht im guten Sinne.
Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Erde, die Quelle des Lebens selbst, in den Mittelpunkt rücken. Wir müssen verstehen, wie wir zusammengehören und was unser bescheidener Beitrag zu diesem Kreislauf ist. In jenem Augenblick sollte es für uns hoffentlich auch unvermeidlich werden, anzufangen, die Struktur unserer Interaktionen neu zu gestalten, weg von struktureller Gewalt und hin zu einer Symbiose.
Intim, intuitiv beginne ich die Zwänge zu spüren, die die Domestizierung mit sich bringt. Die Beherrschung, die ihr innewohnt. Und meine Seele, meine Zellen sehnen sich nach dem Zustand der berauschenden Freiheit, den die Wildnis ermöglicht. Und ich erinnere mich an Orte, an denen ich schon war. Näher am Himmel, auch näher am Tod, und doch pulsierend mit der Energie des Lebens.
Mit Nostalgie und Sehnsucht nach dem Morgennebel und den grünen Horizonten tauche ich für Sie in meine Tagebücher und mein Gedächtnis ein, um zwei sehr unterschiedliche Erfahrungen wiederzugeben, die eine von meinem jüngsten Projekt Terra Mater 2 , das wir im wilden Grau gedreht haben, und die andere, vor einigen Jahren, von einem anderen Projekt, The Mercy of the Jungle 3, einem Film, den wir im wilden Grün gedreht haben.
Erinnerungen und Überlegungen über Wandern, Berge und die Kraft von Mutter Erde
17. April 2022 – Dandora Mülldeponie, Kenia, 30 Hektaren oder 121’405,69 Quadratmeter – TuningWährend ich mich darauf vorbereite, die Crew zu einer Erkundung der unbarmherzigen Dandora Mülldeponie, einer der grössten Deponien in der Region, mitzunehmen, weiss ich, dass die Aufgabe lebensgefährlich ist. Ich fahre seit 2018 dorthin, und jedes Mal verlasse ich sie mit der gleichen Erkenntnis: Die Deponie ist nie ganz so, wie ich es erwarte. «Könnte sie ein lebender, atmender – ich wage zu sagen wilder – Organismus sein?»
An diesem Morgen sind wir alle im Gästehaus, bereit, um mit der Arbeit an TERRA MATER zu beginnen. Das Projekt war noch ganz frisch, die Zeit tickte wie eine Bombe. Man hatte mir gerade die perfekte Plattform dafür angeboten: die herrliche Piazza Grande in Locarno mit ihrer riesigen Leinwand (26x14 Meter). Der Zeitrahmen war jedoch knapp bemessen. Wir mussten uns die Hände schmutzig machen!
Ein paar Wochen zuvor hatte ich Daniel, meinem Kameramann, ein Gedicht und ein Moodboard geschickt. Das war alles, was ich hatte! Er liess sich auf das Abenteuer ein, im Wissen, dass es intensiv, überraschend und herausfordernd sein würde. Ich bin froh, dass er meine Ideen verstehen und mit seiner Sensibilität ergänzen konnte. Da wir uns aber auf zwei verschiedenen Kontinenten befanden (er war in Bern und ich in Nairobi, als wir darüber sprachen), konnten wir uns nicht wirklich auf die übliche Weise vorbereiten. Tatsächlich wurde bei diesem Projekt nichts ‹auf die übliche Art› gemacht. Ich wusste, was wir brauchten, aber ich war mir nicht sicher, was wir finden würden. Wir machten einen Plan, ein Backup und dachten über alternative Wege nach, mussten uns aber dennoch von Strukturen und Regeln lösen.
Angepasst.
Ich erinnere mich, dass ich Safali, unseren Location Sound Designer, angerufen habe, der ebenfalls dabei war, aber noch nie an diesem verrückten Ort gewesen war. Ich versuchte, so gut wie möglich zu beschreiben, wonach wir suchten und welche Sounds wir brauchten. Aber wie kann man etwas von einem Ort vorhersehen, der sich jedes Mal verändert? Es stellte sich heraus, dass man es nicht kann. Wir haben uns entschieden, es zu akzeptieren und mit der Realität zu arbeiten, auch wenn unser Ziel ein Sound-Mix war, der wie Science-Fiction klingen sollte.
Sie sind nun alle hier.
Ein paar Minuten später fahren wir in einem grünen Oldtimer-Allrad, das von Abbra, meinem Produktionsdesigner, gefahren wird, der mit alter Technik und organischem Material Wunder vollbringt. Er ist derjenige, der mir immer sagt, dass alles möglich ist: «Wir werden es schaffen.» Für unsere Hauptrolle hat er ein Kleid aus alten Taschenrechnern, Metallkabeln, Bananenbaumrinde und Mikrochips genäht: Earth Spirit. Für die grossartige Chery Isheja. Abbra ist auch der Mann, der dieses Gebiet am besten kennt. Das ist beruhigend, denn es wäre töricht, ohne Einführung dorthin zu gehen und zu erwarten, dass man heil wieder herauskommt.
Es ist noch früh. Vor dem Kaffee spricht eigentlich niemand.
Nach der Fahrt treffen wir die lokale Crew.
Unser Kontaktmann Javan ist da, unsere Freunde und vertrauenswürdige Leute von den ‹lokalen Sicherheitskräften› sind bereit, uns zu begleiten. Wir haben alle inoffiziellen Genehmigungen, auch von der örtlichen Mafia. Fertig. Los.
Wir müssen in einer Reihe gehen. «Folgt ihm! Er weiss, wo man hintreten und die Ausrüstung ablegen muss,» sagt Javan. «Aber woher weiss er das?» Ich erfahre, dass es in den Schichten unter der Oberfläche manchmal Feuer gibt und dass, wenn man zum Beispiel ein blubberndes Geräusch hört, das bedeutet, dass man möglicherweise hinunterfallen kann.
Die Müllhalde kann uns verschlucken?
Die Deponie ist lebendig.
Grossartig.
Das Kleid wog gefühlt eine Tonne, ich betete, dass Cheryl nicht von dem Monster verschluckt wurde.
Wir bewegen uns durch die Jahre von Müll. Ein ungeordnetes, verseuchtes Chaos. Nach einer Weile stelle ich fest, dass es irgendwie doch ein System dahinter zu geben scheint. Es ist schwindelerregend. Ich kann nicht anders, als zu denken: «Was haben wir, die Menschen, getan?»
Ich stelle mir die Bäume vor, die dieses Gebiet bevölkerten, bevor wir es zerstörten.
«Aber woher kommt der ganze Müll?» Ich sehe hier einen Bereich mit Glas, dort drüben hauptsächlich Stoffe und Kleidung. Plastik. Metall. Es geht weiter und weiter, so weit das Auge reicht. Ein paar Monate zuvor hatte ich erfahren, dass Kenia gerade die Abkommen mit Europa erneuert hat und dass die europäischen Länder weiterhin ihren unerwünschten Müll hierherschicken werden. «Was haben wir getan?»
Ich sehe ein graues T-Shirt, das jemand in einen weissen Container ‹gespendet› hat, um den globalen Süden ‹zu retten›. Ich stelle mir vor, dass dieselbe Person eine Woche später das gleiche T-Shirt kauft, nur in Weiss.
Trotzdem spricht niemand wirklich. Das lässt Raum zum Nachdenken und verhindert auch, dass wir die Dämpfe mit unserem offenen Mund schlucken. Wir alle versuchen, so zu tun, als ob uns nicht übel wäre. Aber es kostet uns all unsere Kraft, uns und unsere Frustration nicht zu übergeben. Die Gedanken und Gefühle fühlen sich für mich, für uns, überwältigend an. Denn es sind nicht nur der Rauch und der Dampf, die uns überfallen. Sondern auch all die Schichten des Bewusstseins, die Fragen nach unserer Verantwortung in diesem Chaos.
Bei Terra Mater geht es um Land, ein grosses und komplexes Thema hier in Ostafrika und auf dem Kontinent im Allgemeinen. Ein Thema, das direkt mit den Menschen, ihrem Erbe und ihrer Zukunft zu tun hat, sehr konkret, sehr greifbar.
Wir wandern weiter. Durch Hügel und Hügel, Berge von Abfall.
Ich versuche, einen Standort für die Szene zu finden. «Hier, mit den Bergen von Müll im Hintergrund!»
Gestohlenes Land, kontaminiertes Land, verwüstetes Land im Gegensatz zu reichem Land, fruchtbarem Land, heiligem Land.
Wir gehen spazieren und ich muss an einen anderen Dreh denken, den ich vor ein paar Jahren gemacht habe, ebenfalls im April, ebenfalls in den Bergen.
Berge aus rauer, unberührter Natur, so majestätisch und kraftvoll wie nur möglich.
14. April 2017 – Ruhija-Sektor, Uganda, 2350 m über dem Meeresspiegel – Tuning
Gestern sind wir zwölf Stunden von der Hauptstadt aus gefahren und haben den Äquator überquert. Wir erreichten das kleine Camp in der Nacht, ohne etwas von der Umgebung zu sehen. Es gab keinen Strom ausser der einen ‹Ladestation› im Essbereich, an die alle fleissig ihre Handys und Tablets für das Abenteuer des nächsten Tages angeschlossen haben. Aber die Kapazität war mit uns dreien bereits ausgeschöpft. Ich machte mir eine Notiz: «Einen Generator und ausreichend Treibstoff mitnehmen.» Wir waren erschöpft, von der Höhe benommen, froren und freuten uns darauf, dass der Tag anbrach. Unsere erste Erkundung, tief im Dschungel.
Die Nacht war dunkel und kalt (ja, auch in Afrika fallen nachts die Temperaturen!). Aber zur Belohnung sind wir auf dem Dach der Welt aufgewacht.
Heute Morgen, beim Frühstück, entdecken wir die in Nebel gehüllten Gipfel. Ich kann mein Glück kaum fassen; wir stehen kurz vor dem Beginn eines unglaublichen Abenteuers. Wir machen uns bereit, den Bwindi Impenetrable Forest zu erkunden. Ich kann nicht aufhören zu lächeln.
Da es sich um einen Nationalpark handelt, dürfen keine Fahrzeuge hineinfahren, alles muss auf dem Rücken getragen werden. Nichts darf im Wald zurückgelassen werden, denn wir wollen möglichst wenig Abdruck hinterlassen. Wir packen das Minimum an Kleidung und ein Mittagessen ein, um einen ganzen Tag im Park zu wandern. Mein Rucksack wiegt weniger als 3 kg, und das ist schon eine Herausforderung. Ich frage mich, wie wir mit der ganzen Ausrüstung und dem Trinkwasser zurechtkommen werden, wenn wir drehen. Sicherlich werden wir mithilfe der Einheimischen eine Lösung finden können. Ich beschliesse, es von Tag zu Tag zu nehmen.
Wir gehen rein.
Wir bewegen uns in einer Reihe. Vor und hinter uns gehen bewaffnete Ranger mit AK-47-Gewehren, um sicherzustellen, dass wir sicher sind. Ich weiss jetzt, dass die Waffe etwa 4 Kilo wiegt. Die Region wird von vielen internationalen Konflikten heimgesucht, und es wäre bedauerlich, wenn wir bei unserer Suche auf eine der Rebellengruppen stossen würden. Ich schüttle den Kopf über den Irrsinn des Krieges, der auch das Thema unseres Films ist. Unser Reiseleiter macht den Weg frei und schneidet mit seiner Machete die dicken natürlichen Vorhänge durch.
Wir laufen, wir klettern, wir schwitzen.
Wir wählen Bäume: «Der da mit dem grossen Ast ist perfekt für Szene 12.»
Innerlich bin ich wie gelähmt und frage mich, was für anmassende Dummköpfe wir sind. «Wählen wir gerade einen einzigen Baum in einem Urwald?» Wie werden wir ihn wiederfinden, wenn wir zurückkommen? Dummköpfe.
Ich unterdrücke den Gedanken. Ich möchte unserem Reiseleiter vertrauen.
Wir wandern. Und wandern noch mehr.
In der Stille. Alle unsere Sinne öffnen sich. Wir nehmen alles auf, den Geruch, die Farben, die Feuchtigkeit, die Geräusche, die Texturen, die Dichte.
Wir passieren drei Berge. Sümpfe, Höhlen und Wasserfälle. Eine kleine Sekunde der Unachtsamkeit und ich trete fast in eine tiefe Spalte, die von Kletterpflanzen verdeckt wird. Ich hätte im Unterboden verschwinden können. Vom Dschungel verschluckt. Verdaut. Weil ich nicht im Einklang war.
Das Leben ist schöpferisch, üppig und kurz, und dies war eine klare Erinnerung daran. Meine Beine zittern immer noch, ich merke mir das für später. Wir müssen die Dreharbeiten lebend und gesund beenden und besonders vorsichtig sein, wenn wir wie vom Drehbuch besessen herumlaufen. Es wird eine Herausforderung werden.
Wir gehen an diesem Tag sieben Stunden. Und neun am nächsten Tag.
Etwas beginnt sich in mir zu verändern. Langsam durchdringt der Wald meine Seele, und meine Augen öffnen sich allmählich für die Kraft und den Zauber der urzeitlichen Räume.
2. Mai 2017 – Ruhija-Sektor, Uganda – Dreharbeiten
Wir kommen nach kurzen drei Wochen Vorbereitung zurück nach Kampala, die Regenzeit hat bereits begonnen. Mir fällt auf, dass alle Pflanzen so schnell wachsen, nichts sieht mehr so aus wie auf den Bildern, die wir zuvor sorgfältig aufgenommen haben.
Der Wald ist grün, üppig und satt. Undurchsichtig. Noch undurchsichtiger. Wir kommen uns noch kleiner vor. Ich erwarte, dass die ganze Übung noch intensiver sein wird.
Am nächsten Morgen richten 22 Darsteller_innen und Crewmitglieder ein Gebet an den Wald, bevor wir mit Tag eins eginnen. Wir bitten um Schutz, um Erleichterung, um Erfolg. Und dann gehen wir einfach hinein.
Der Wald nimmt uns auf, der Wald trägt uns, der Wald fordert uns heraus.
Wir sind hier, um über die Absurdität des Krieges zu berichten. Um von der Verbindung zwischen uns allen zu erzählen.
Irgendwie ermöglicht uns der Bwindi Impenetrable Forest, dies zu tun.
Am Tag zwei denken wir, dass es wegen des Geländes und der vielen Bäume klug sein könnte, die gesamte Ausrüstung ohne Kabel zu benutzen. Doch plötzlich beginnt es zu regnen, ein Wolkenbruch. Wir wussten nicht, dass bei Regen die Dichte des Waldes die Funksignale überlagert. Die gesamte Kommunikation zwischen den Geräten funktioniert nicht mehr. Die Waldpflanzen erobern sich ihren liminalen Raum zurück. Wir kapitulieren, suchen Schutz unter riesigen Blättern. Später finden wir einen Weg, mit Kabeln zu filmen.
In derselben Woche kreuzen sich eines Nachts unsere Wege mit denen der Elefanten. Wir tragen die Ausrüstung aus dem Wald. Wir sind verspätet und es ist schon fast stockdunkel. Wir sollten schon draussen sein, hinter dem Haupttor, aber wir sind immer noch unterwegs. Plötzlich sehen unsere Reiseleiter vor der Kolonne etwas, das sich hinter den Ästen bewegt. Etwas Grosses. Wir haben natürlich nichts gesehen. «Runter! Alle, JETZT!», befehlen sie gemeinsam, und der Ranger gibt Schüsse in die Luft ab! Wir können nirgends hinlaufen, das Relief ist zu steil, der Weg zu schmal. Wir fallen auf den Boden. Wir hoffen, dass die Elefanten in die andere Richtung laufen. Ich weiss, dass unser spärlicher Schutz nicht ausreicht, wenn sie uns herausfordern wollen. In diesem Moment ist jedwede Arroganz in uns verschwunden. Wir beugen uns mit unserem ganzen Wesen.
Im Laufe der Tage, die mal leichter, mal schwieriger sind, machen wir auch eine Initiationsreise durch. Jeden Morgen können wir unser Wachstum spüren, die leichten Veränderungen beim Wandern, unsere geschärften Sinne, die Leichtigkeit in der Anstrengung.
Alles bescheidene, kleine Schritte in Richtung Symbiose. Wir geben alles. Und bekommen dafür so viel zurück.
20. April 2022 – Dandora Mülldepoinie, Kenia – Dreharbeiten
«Wurden alle Bäume gefällt? Oder haben sie die beladenen Lastwagen einfach angeleitet, ihr Gift in einem Gebiet mit vielen natürlichen Wasserläufen und Wildtieren abzuladen?» Ich frage mich das immer noch.
«Was passiert, wenn wir dem Körper der Erde ein Trauma zufügen? Unser Lebensraum hat seine wirtschaftlichen, politischen und spirituelle Logiken, und wir sind Teil eines Ökosystems. Wer wird die Folgen ernten?
Wie steht es um die Zusammenhänge zwischen Kolonialisierung, Kapitalismus und Klimawandel? Ist Klimagerechtigkeit überhaupt möglich?»
Ich wache aus meiner Träumerei auf. Vielleicht ist es der Geruch, der mich zurückbringt. Vielleicht auch die Hitze.
Wir sind in Dandora, die Kamera ist bereit, der Ton auch, alle Statist_innen tragen orangefarbene, futuristische Kleidung. Wir beginnen mit den Dreharbeiten.
Alle sind begeistert. Es fühlt sich surreal an.
Als wir filmen, spielen sogar die Marabu-Störche mit. Sie stehen still und schauen direkt in die Linse.
Sie verurteilen uns stillschweigend.
‹Mutter Erde› ist wieder einmal bereit zu reden.
Lasst uns aufmerksam zuhören, mit unserem ganzen Wesen.
Sie sagt, dass unsere menschlichen Körper von ihrem abhängen. Sie sagt, es sei höchste Zeit, dass wir beginnen, das Land zu schützen und zu restituieren, es zu reparieren und zu ehren, und zwar auf globaler Ebene. Sie entwickelt sich weiter, egal wie sehr wir versuchen, es zu zerstören.
Ich atme tief ein. -
Epilog
«Nicht domestiziert …», das hallt in mir immer noch nach.
Ich mag das Gefühl, das diese Wendung in mir weckt. Sie riecht nach Freiheit. Statt so zu tun, als könnten wir in den Tiefen des Ozeans und in den fernen Galaxien unser höchstes Gut erforschen, sollten wir vielleicht öfters einen Blick in uns selbst werfen. Und vielleicht werden wir es dort endlich finden: ein wildes, pochendes, rohes Verlangen nach dem Geist des Lebens.
Indem ich mich wiederholt mit den wildesten Umgebungen konfrontiert habe, habe ich definitiv meine persönlichen Grenzen (und diejenigen meines Teams) getestet. Und doch komme ich immer wieder zurück, um mehr zu erfahren. Weil ich spüre, dass es eine Geschichte zu erzählen gibt. Aber auch, weil ich mich durch diese Erfahrungen am menschlichsten fühle, menschlicher, als ich überhaupt je war, und zwar menschlich in einem ungezähmten, intimen, animalischen Sinn. Und auf meiner eigenen Reise, auf der ich mich meinen Ängsten stelle und meine Stärke aufbaue, weiss ich, dass mich all die Herausforderungen, die ich bewältigt habe, persönlich und künstlerisch wachsen liessen.
Und nun wird mir langsam klar, dass dies die Themen sind, die ich ansprechen möchte, dass dies die Orte, die Pflanzen, die Tiere und die Menschen sind, mit denen ich sprechen möchte. Sicherlich fühle ich mich aufgrund meiner Herkunft eng mit ihnen verbunden. Aber auch, weil ich hier das Flüstern der ‹Mutter Erde› hören kann. Sie braucht unsere Aufmerksamkeit. Unsere Fürsorge und unseren Schutz. Und mit dem Kino wurden mir eine Plattform und eine Stimme geboten, mit denen ich zumindest versuchen kann, einen wichtigen Zweck zu erfüllen und den Weckruf der Erde weiterzugeben.